EU-Auflagen statt Euphorie: Prüfung für Flughafen Wien

04.02.2008 | 18:09 |  GERHARD BITZAN UND MICHAEL LOHMEYER (Die Presse)

Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung: Brüssel verlangt den Bericht des Ministeriums bis Ende Februar. Organsationen beschwerten sich wegen zunehmendem Fluglärm.

WIEN. Der Jubel der Staatssekretärin über einen Sieg Österreichs gegen die EU im Streit um den Flughafen Schwechat war etwas verfrüht: Es sei gelungen, die EU-Kommission zu überzeugen, dass für den derzeit im Bau befindlichen Flughafen-Skylink keine neue Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig sei, so Christa Kranzl, SP-Staatssekretärin im Infrastruukturministerium, in einer Aussendung. Ein Vertragsverletzungsverfahren sei „vom Tisch“. Und einige Medien übernahmen prompt eins zu eins die Meldung: „Am Flughafen darf weitergebaut werden.“

Die EU behandelt die Beschwerde seit gut einem Jahr – mehrere Male ist die Republik zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. „Es ist unrichtig, wenn behauptet wird, dass das Verfahren eingestellt worden ist. Derzeit ruht es“, berichtet Barbara Helferich, Sprecherin von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas am Montag im Gespräch mit der „Presse“. Nachsatz: Das Verfahren könne auch wieder aufgenommen werden.

Konkret geht es um einige Projekte, die in den vergangenen Jahren umgesetzt bzw. zumindest gestartet worden sind – ohne dass eine UVP durchgeführt worden wäre. Dagegen haben Organisationen von Personen, die unter dem zunehmenden Fluglärm über Wien leiden, bei der EU Beschwerde eingelegt. Im Detail geht es um
das Busterminal,
Büro- und Konferenzflächen,
den neuen Tower,
das Air Cargo Center,
die Abstell- und Servicehalle,
die Erweiterung von Parkplatzflächen und Parkhäusern
und das neue Terminal „Skylink“ mit 17 Andockpositionen – unter anderem für fünf Großraumflugzeuge (etwa Airbus A380). Der „Skylink“ wird 2009 in Betrieb gehen.

All diese Maßnahmen, so argumentieren die Beschwerdeführer, führen dazu, dass die Zahl der Passagiere – und damit auch die der Füge – regelrecht explodiert: 1988 wurden in Schwechat noch fünf Millionen Leute abgefertigt, 2006 bereits 16,8 Millionen. Ziel des Flughafen-Vorstandes: 25 Millionen Fluggäste bis 2015.

Helferich berichtet weiter, dass eine nachträgliche UVP gefordert ist; von einem Baustopp, einer Bauunterbrechung, deren Abwenden nun von Kranzl und ihren Beamten bejubelt wird, war im gesamten Verfahren bisher keine Rede. Wie nun den Erfordernissen der UVP konkret entsprochen wird, sei Sache Wiens. Aber: Ein Bericht über diesen Plan sei bis Ende Februar an die EU-Kommission zu senden. Und auch über die weiteren Verfahrensschritte müsse Wien Brüssel auf dem Laufenden halten.


Sind Sachbearbeiter sauer?

Angesichts der Meldungen aus dem Infrastrukturministerium sollen die Brüsseler Sachbearbeiter verstimmt sein. „Stinksauer – weil sie sowohl inhaltlich als auch formell falsch ist“, meint zumindest die Wiener Anwältin Susanne Heger, die im Namen der Fluglärmgegner die EU-Klage gegen den Flughafenausbau eingereicht hat. Dimas-Sprecherin Helferich sagt dazu bloß: „In Brüssel gibt es die verschiedensten Meinungen.“

Am Flughafen wird seit jeher zu der Angelegenheit betont, dass das Verfahren eine Sache zwischen Republik und EU sei – der Flughafen habe sämtlichen Behörden-Auflagen entsprochen. Glosse S. 39

AUF EINEN BLICK

Projekte, die in den vergangenen Jahren am Flughafen Wien genehmigt wurden, müssen nun nachträglich geprüft werden. Ob das EU-Verfahren wegen Verstoßes gegen die UVP-Richtlinie eingeleitet wird, hängt davon ab, ob Auflagen erfüllt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2008)