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Di, 19.Jul 2005
Pressestimmen/Vorausmeldung
"Presse"-Kommentar:
Stockbett & Alm-Sex für treulose Touristen? (von Rainer
Nowak)
Utl.:
Ausgabe vom 20. Juli 2005 =
Wien (OTS) - In
Österreichs Tourismus herrscht teils Krisenstimmung. Wer sich
verändert, hat nichts zu befürchten.
Er kam
überraschend aus dem Hinterhalt und ohne jede Vorwarnung:
der
Sommer. Besonders heimtückisch: Statt mit Sonne und Hitze suchte
er Österreich mit Regen und niedrigen Temperaturen heim. Darauf
konnte keiner vorbereitet sein. Doch die heimische Tourismusbranche
muss sich trotz dieser Hiobsbotschaften und massiver Einbrüche
keine Sorgen machen: Hilfe naht in Gestalt der Österreich
Werbung. Deren Chef Arthur Oberascher hat ein "Notvertriebspaket"
geschnürt, um rasch zu helfen. Mitte Juli ist dafür sicher
der ideale Zeitpunkt.
Aber Ironie beiseite.
Österreichs Betreiber von Hotels, Restaurants, Museen und Co.
stehen tatsächlich vor Problemen: Die Deutschen Treue-Touristen
lassen aus. Jahrzehntelang war auf die guten und vor allem alten
Freunde, rein freundschaftlich "Piefkes" tituliert,
Verlass: Sie trotzten Regen und Staus. Sie erholten sich trotz
steigender Preise und gleich bleibenden Angebots. Sie kehrten wieder.
Doch dann wurde alles anders.
Der Tourismus erlebte
das Phänomen Globalisierung als erster Industriezweig: Dank
sinkender Transportkosten und Lohnnebenkosten vor Ort waren Ferien in
der Dominikanischen Republik plötzlich viel günstiger als
solche am Wörther See. Und damit dies auch wirklich jeder
(Sommer-)Urlauber kapierte, wurde das Prinzip Vollpension vollendet:
Die pauschale Zahlung für alle Leistungen - "all inclusive"
- feiert seit mehr als zehn Jahren ihren Siegeszug. Eine ganze
Generation junger Reisender wählte für Österreich ab
sofort einen Umweg. Nun ist junger Rat teuer: Wie die Jungen
ansprechen? Mit Alpen-Parties? Oder doch das Angebot Extremsportarten
auf jeder Alm? Der tägliche Rave beim Wirt? Sex in den Alpen?
Eine gute Mischung würde schon ausreichen. Wichtig wären da
etwa gute Hotel-Angebote in mittlerer Preisklasse, am unteren und
oberen Ende der Skala gibt es zwar eine breite Auswahl, wirklich
preiswerte Übernachtungen, ohne sich an Stockbett-Ferienlager
erinnert zu fühlen, aber kaum. Hilfreich sind auch singuläre
werbewirksame Großveranstaltungen und ein treffsicheres
Nachtleben. Dabei aber Vorsicht: Der Ballermann hat den
Sangria-Strohhalm längst abgegeben. Und vielleicht könnte
man dann auch noch ganz neue Wege für die Tourismus-Werbung
angehen. Das Genuss-Land Österreich wird derzeit vor allem nur
in Österreich propagiert: Dass es hierzulande Speck,
Räucherfisch und vor allem Weißweine gibt, die die
Vorzeigeprodukte südlicher Nachbarn ausstechen, wissen die
meisten Österreicher aber schon ganz gut. Das Unangenehme an der
Situation ist die Unberechenbarkeit der Touristen: Immer häufiger
fällt die Entscheidung knapp vor Urlaubsantritt, je nach Laune
wird Sport-, Stadt-, Party- Wellness- oder Badeurlaub gebucht. Auf
letzteren sollten die heimischen Touristiker am besten gar nicht mehr
zählen:
Die Klage über schlechtes Wetter wird durch
Häufigkeit auch nicht rührender.
Mit dieser
neuen Spontanität hängt eine weitere tiefgreifende
Veränderung der Tourismusbranche zusammen, die in den kommenden
zehn Jahren zu beobachten sein wird: Klassische Reisebüros
werden aussterben. Um eine Pauschalreise "zwei Wochen
Halbpension auf griechischer Insel" zu buchen, benötigt man
weder Beratung noch Büro, nach Durchsicht des gedruckten oder
virtuellen Katalogs reicht ein Mail oder ein Anruf.
Apropos Internet: Das verhilft derzeit bestimmten europäischen
Städten wie Wien zu vergleichsweise schönen Zuwachsraten.
Planten wir früher über das Wochenende einen kleinen
Ausflug aufs Land, bereiten wir uns jetzt auf den Städteflug
vor: Dank zahlreicher Billig-Airlines fliegt man in Städte, die
man manchmal gar nie besuchen wollte, und zahlt dafür einen
Preis, der häufig unter jenem für die Taxifahrt vom
Flughafen ins Hotel liegt. Und da beim Flug so "gespart"
wurde, bleibt mehr Geld für Hotel und Verköstigung. Wien
profitiert von diesem Trend ebenso wie von der Reisefreudigkeit
vieler arabischer Touristen. Wie rasch sich Tourismus dadurch
verändern kann, beweist die Verschiebung so genannter
Wien-Attraktionen: Während so mancher Wiener Heurige vergeblich
auf Touristenbusse wartet (und daher über Wetter und Co.
jammert), wird der Naschmarkt täglich und allabendlich von
Individualreisenden gestürmt. Während im Prater Tristesse
herrscht, staunen Wien-Besucher am Rathausplatz über die
Partystimmung bei klassischer Musik. Und das ist die eigentliche,
leider anstrengende Strategie für die neuen Lebensgewohnheiten
von (jungen) Touristen: ständige
Veränderung.
Rückfragehinweis:
Die
Presse
Chef v. Dienst
Tel.: (01) 514
14-445